Genesungsbegleiter:innen beim LWL-Literaturwettbewerb dabei
Kreativität ohne Stigma
Genesungsbegleiter:innen der LWL-Klinik Herten haben am Schreibwettbewerb zum LWL-Projekt „outside-inside-outside“ teilgenommen
Der Komponist Robert Schumann, der Maler Vincent van Gogh oder der Autor Ernest Hemingway – Künstler:innen mit psychischen Erkrankungen sind keine Seltenheit. Das Projekt „outside | inside | outside – Literatur und Psychiatrie“ der LWL-Literaturkommission für Westfalen beschäftigt sich mit dem wechselseitigen Einfluss von Kunst und Psychiatrie. Im Rahmen verschiedener Veranstaltungen gibt es Menschen mit psychischen Erkrankungen und ihren Texten eine Bühne. Die gleichnamige Wanderausstellung präsentiert auch Werke von Hildegard Kofoth und Guido Elfers. Die Genesungsbegleiter:innen der LWL-Klinik Herten nahmen im Rahmen eines Schreibwettbewerbs an dem Projekt teil.
Kofoth und Elfers haben selbst schon eine psychische Erkrankung durchlebt und unterstützen nun als Genesungsbegleiter:innen in der Klinik Patient:innen: „Durch unsere Erfahrungen haben wir ein anderes Verständnis für die Patient:innen und auch einen anderen Zugang. Sie nehmen uns anders wahr als Therapeut:innen, Ärzt:innen oder Pflegekräfte“, sagt Kofoth. „Unsere Aufgabe ist es, für die Patient:innen da zu sein, Gespräche zu führen und auch Gruppenaktivitäten anzubieten.“
Eine dieser Gruppen ist die „Wortfabrik“, in der die Patient:innen beispielsweise erst mit Ton oder Farbe kreativ werden und anschließend einen Text zu ihrem Werk schreiben. Darauf wurden auch die Projektverantwortlichen von „outside | inside | outside – Literatur und Psychiatrie“ aufmerksam. Auf der Suche nach Teilnehmer:innen für den Schreibwettbewerb meldeten sie sich direkt in der LWL-Klinik bei Elfers: „Durch die Wortfabrik war für uns direkt klar, dass wir nicht nur selbst mitmachen möchten, sondern auch versuchen, Patient:innen für eine Teilnahme zu motivieren.“ Mit Erfolg: Vier Patient:innen haben einen Text eingereicht.
Dass ihre Werke für die Ausstellung im Kunsthaus Kannen ausgewählt wurden, hat die Genesungsbegleiter:innen sehr gefreut. Besonders schön fanden sie allerdings, dass das Thema Psychiatrie so mehr Aufmerksamkeit erhalten habe. Kofoth: „Psychische Erkrankungen sind immer noch ein Stigma in der Gesellschaft. Daher ist es eine Aufwertung für uns und die Patient:innen, dass das Thema und ihre Kunstwerke auch ernst genommen werden.“ Elfers ergänzt: „Mein Wunsch ist, dass die Psychiatrie allgemein mehr Öffentlichkeit bekommt. Mit einer psychischen Erkrankung fühlt man sich oft ausgegrenzt und hat das Gefühl, meistens gar nicht richtig wahrgenommen zu werden. Durch Projekte wie von der LWL-Literaturkommission können wir zeigen, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung Potenzial haben und eben viel Kreativität und Können besitzen.“
Der Text „Was für ein ungewöhnliches Jahr“ von Hildegard Kofoth ist hier nachzulesen. Die Werke „Lass uns doch mal!“ und „Die letzte Schlacht!“ von Guido Elfers sind über diesen Link einsehbar.
Über das Projekt „outside | inside | outside“
Die LWL-Literaturkommission für Westfalen richtet gemeinsam mit mehreren Partner:innen das Projekt outside | inside | outside – Literatur und Psychiatrie aus.
Von 2022 bis 2023 finden westfalenweit Veranstaltungen wie Lesungen, Vorträge, Performances und Workshops zum Thema Literatur und Psychiatrie statt. Im Vordergrund steht dabei die sogenannte Outsiderkunst, also Kunst von gesellschaftlichen „Außenseiter:innen“ und Laien, besonders von Menschen mit psychischer Beeinträchtigung.
Die gleichnamige Wanderausstellung ist vom 27. März bis 26. Juni 2022 im Kunsthaus Kannen zu sehen. Die präsentierten Texte und Gedichte gehen zurück auf einen Schreibwettbewerb, den das Kunsthaus Kannen und die LWL-Literaturkommission für Westfalen im Vorfeld des Gesamtprojektes durchgeführt haben.
Hier geht es zur Webseite von „outside | inside | outside“.
BU: Als Genesungsbegleiter:innen unterstützen Hildegard Kofoth und Guido Elfers mit ihren persönlichen Erfahrungen Patient:innen in der LWL-Klinik Herten.
Autorin: Michelle Fiege
Texte und Gedichte von Hildegard Kofoth und Guido Elfers sind unten nachzulesen.
Was für ein ungewöhnliches Jahr
Hildegard Kofoth
Ich sitze hier am Fenster bei herrlich wärmendem Sonnenschein und schaue auf die Mengen von Schnee in der Landschaft. Die Kinder genießen die weiße Pracht ausgiebig zur Schlittenfahrt und Schneeballschlacht. Eigentlich ein wunderschönes Bild, an dem ich mich erfreuen kann.
Jedoch holt einen immer wieder dieses krasse Jahr 2020 ein. Was zum Teufel war da los mit Dir? Im Kalender konnte ich ab März einen Termin nach dem anderen streichen. Aber was war der Sinn, dass Du uns so viele Ängste und auch Sorgen bereitet hast? Plötzlich hat sich der Ablauf total verändert, es gibt Umstände die bisher kaum einer erlebt hat. Immer neue Worte, die vorher nicht alltäglich waren, tauchen auf wie Kontaktverbote, Ausgangsbeschränkungen, Lockdown, leergefegte Supermarktregale, Hamsterkäufe, und sicherlich gibt es noch mehr Begriffe.
Aber wir waren ab da auch von einer besonderen Vorsicht geprägt, dass wir plötzlich in allen möglichen Situationen die Mitmenschen aus einem ganz anderen Blickwinkel sehen. Eigentlich ein Teil von mir, den ich nicht wahrhaben möchte, jedoch es ist so – ich spüre die Gefahr einer Ansteckung. Und so wird auch das Einkaufen zum Hindernis, wenn wieder einmal der vorgeschriebene Abstand nicht eingehalten wird. Aber es hat auch Vorteile. Seit den Einschränkungen gab es keinen Vorfall mehr, dass einem der Einkaufswagen in die Hacken geschoben wurde.
Jedoch gab es im Frühjahr auch eine ganze Reihe verschiedener Aktionen, zu denen angeregt wurde, so z.B. bemalte Steine, welche am Wegesrand ausgelegt werden konnten oder die Regenbogenaktion an den Fensterscheiben. Ein Erlebnis und Freude, es vermittelte ein wohliges Gefühl des gemeinsamen Zusammenstehens in der Situation.
Schließlich folgte die Einführung des Mund-Nasen-Schutzes, eine Zeit in der es schön war, die Kreativität der Mitmenschen zu beobachten. Wunderschöne Stoffe und ausgefallene Ideen verzauberten die Gesichter manchmal zu einem freudigen Strahlen in den Augen. Noch zu Beginn des Frühjahrs hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass die Maskenform bei uns Einzug halten würde.
Nun ja, es war ein Jahr des Verzichtens, welches dafür gesorgt hat, dass Perspektiven aufgegeben werden mussten. Vieles wurde ersatzlos gecancelt. Eigentlich waren viele Projekte fertig ausgearbeitet, so z.B. ein Ferienprojekt für die Berufsschule. Folglich landeten die Arbeiten in den Abfalleimer und die Motivation sank in den Keller.
Ja, manchmal war ich schon richtig sauer, viel Schönes wurde verhindert und gleichzeitig Ängste, Unsicherheit und Enttäuschung verursacht. Ich vermisse die privaten Treffen, Ausflüge oder Besuche von Veranstaltungen – alles wegen Dir, liebes unberechenbares Virus.
Auch wenn es ein ungewohntes 2020 war, 2021 ist bisher ein Zwilling davon, und wie es möglicherweise weitergeht? Keine Ahnung, und ehrlich gesagt, ich möchte es mir auch jetzt im Februar noch gar nicht ausmalen, sondern einfach nur die kleinen, unbeschwerten Momente genießen.
Lass Uns doch mal! und: Die letzte Schlacht!
Guido Elfers
Lass Uns doch mal!
Vielleicht ein Beben,
oder alles in Schweigen ebnen!?
Lass Uns doch mal!
Oder gibt es einen schlechten Traum?
In einem Raum, den nur Ich Betreten kann?
Oh was geb Ich, für diesen einen Traum!
Lass Uns doch mal!
Ihr bereitet ein Ende?
Wir stechen ins Leben!
Für eine Welt, wo Traum und Leben sich Verbinden,
für ein Glücklich Sein!
Die letzte Schlacht!
Von einer Schlacht zur andern!
Was war es für ein Leben,
wenn ich am Ende bin,
und Hoffe weiteres zu finden!
Wird es besser und eine Leichtigkeit?
Oder eine neue Schlacht,
die Enden soll in der Großen Erkenntnis!
Will ich diese Schlacht?
Leid erkennen, was ist es für ein Leben?
Vom Leid, zum Glück, zum Thron!
Glücklich will ich Sein!
In diesem Leben!